Unternehmen setzen im Zuge der Digitalisierung vermehrt auf die Selbstorganisation und Agilität ihrer Mitarbeiter. Flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege und eine Verteilung der Verantwortung auf viele Schultern sind gang und gäbe. Wenn Führungskräfte in Zeiten des technologischen Umbruchs weiterhin eine tragende Funktion in ihrer Organisation einnehmen möchten, müssen sie die Schwerpunkte bei ihren Aufgaben überdenken und sich ein Stück weit neu erfinden. Eine Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half zeigt, wie Führungskräfte den Transformations-Prozess bewältigen wollen.
„Führungskräfte entwickeln sich zu Enablern für Mitarbeiter in agilen Organisationen. Sie übernehmen die Rolle des Wegbereiters für innovative und agile Teams. Vor allem bei der Lösung komplexer Problemstellungen und Umsetzung von Projekten ebnen sie den Mitarbeitern den Weg. Dabei zeigen sie sich offen für neue Sichtweisen sowie Innovationen und motivieren Teams, neue Denkweisen oder Ideen zu verfolgen. Führungskräfte müssen sich vom Bild des Leistungskontrolleurs verabschieden und sich zum Coach ihrer Mitarbeiter weiterentwickeln“, erklärt Dr. Consuela Utsch, HR-Expertin und Geschäftsführerin der Acuroc Solutions GmbH & AQRO GmbH, beide in Idstein bei Wiesbaden.
Die Auflösung traditioneller hierarchischer Strukturen ist in vielen Betrieben bereits abgeschlossen. Teams sollen sich selbst organisieren, Ressourcen verantworten und mit Partnern oder Kunden kommunizieren. Sie übernehmen folglich die ehemaligen Zuständigkeits-Bereiche einer klassischen Führungskraft. Ein konservativer, steuernder Führungsstil mit Top-Down-Ansagen und einem Null-Fehler-Diktat stellt in der kommenden Arbeitswelt somit ein Auslaufmodell dar. Stattdessen gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, Handlungs-Spielräume zu definieren und Prozesse zu begleiten, damit die Mitarbeiter optimal arbeiten können.
Viele Manager müssen ihre Einstellung dementsprechend verändern. „Oftmals, ohne es zu wissen, frustrieren und demotivieren viele Führungskräfte ihre Mitarbeiter eher. Persönlichkeits-Entwicklung ist deshalb die Handlungsmaxime der Stunde in der Personalentwicklung. Digitale Kompetenzen und Fähigkeiten werden dabei vorausgesetzt“, merkt Oliver Grubert, Head of Assessment & Development bei der Selecteam Deutschland GmbH in München, in diesem Zusammenhang an.
Ein offener und vertrauensvoller Umgang mit den Mitarbeitern, der eine direktive Anleitung sowie ein kontinuierliches Feedback miteinschließt, ist eine zwingende Voraussetzung für eine heutige Führungskraft. Sie muss sich als Coach und Mentor verstehen. Um diese Rolle perfekt ausfüllen zu können, sind die Unternehmen gefordert, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Führungskräfte zu investieren und entsprechend zugeschnittene Programme zu entwickeln.
Laut der jüngsten Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half sind über 80 Prozent der befragten Führungskräfte zuversichtlich, den digitalen Wandel mit dem aktuellen Führungsteam erfolgreich umzusetzen. Gleichzeitig glauben jedoch 70 Prozent, dass es schwierig wird, Mitarbeiter in den neuen Technologien zu schulen. Die Führungskräfte suchen bei der Umsetzung des Transformations-Prozesses im Unternehmen besonders nach Managern mit technologischem Verständnis (58 Prozent), sehr guten Kommunikationsfähigkeiten (51 Prozent) sowie technischem Know-how (45 Prozent) (-> Tabelle 1).
Weiterhin vertreten 38 Prozent der Studien-Teilnehmer die Auffassung, dass Manager die Fähigkeit besitzen sollten, Experten in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen. Erfahrene Interim-Manager für Digitalisierungs-Projekte können notwendiges Wissen weitergeben, die Produktivität des existierenden Teams steigern und bei der Zielerreichung unterstützen. Außerdem sollten künftige Führungskräfte über Erfahrungen im Veränderungs-Management verfügen (38 Prozent), in flachen Hierarchien denken (36 Prozent) und Entscheidungen delegieren können (31 Prozent) (-> Tabelle 1).
Die Ergebnisse belegen zum einen, dass die Befragten einen durchaus realistischen Blick auf den Anforderungs-Katalog haben, den eine moderne Führungskraft erfüllen muss. Zum anderen stellen sich die Zahlen noch recht unausgewogen dar. Dieses deutet darauf hin, dass in den Chefetagen der Unternehmen derzeit noch kein einheitliches Bild von der kommenden Führungskraft existiert.